Guten Tag meine Damen und Herren,

während die amerikanischen Börsen aufgrund des Memorial Days feiertagsbedingt geschlossen hatten, startete der DAX am Montag bei geringen Umsätzen knackig in die Woche und erreichte prompt ein neues Jahreshoch. Die wichtige Marke von 9.800 Punkten wurde bereits kurz nach Handelsbeginn gemeistert. Damit haben wir die monatelange Seitwärtsbewegung erst mal hinter uns gelassen. Die 10.000 als runde Zahl, bei der sicherlich zahlreiche Derivate abgerechnet werden, steht nun bei den Bullen als nächstes größeres Ziel auf der Liste. Diese Zahl wollen "die Märkte" auf jeden Fall sehen.

 

Begründen lässt sich der jüngere Kursanstieg kaum durch den wenig überraschenden Ausgang der Europawahl. Die konservativen Parteien haben wie erwartet das Rennen gewonnen und bilden weiterhin die Mehrheit im Europaparlament. Auch wenig überraschend waren die positiven Ergebnisse der Euro-/Europakritiker. Allen voran England mit der United Kingdom Independence Party (UKIP) und Frankreich mit der rechtsextremen Front National, die beide mit über 25% der Stimmen die Wahlen in ihren Ländern für sich entscheiden konnten. Während die Briten mit dem Wahlergebnis ihre andauernde Europaskepsis zum Ausdruck bringen, dürfte in Frankreich die zunehmende wirtschaftliche Schieflage des Landes ausschlaggebend für die Stimmabgaben gewesen sein. Die steigende Unzufriedenheit der Bürger will die Parteivorsitzende Marine Le Penn direkt nutzen und fordert Neuwahlen in Frankreich, weil das Parlament in Paris nicht mehr dem Willen des Volkes entspräche. Präsident Hollande will hingegen die angestrebten Reformen weiter vorantreiben. Gleichzeitig will er sich bei der Europäischen Gemeinschaft für mehr Wachstum, Arbeitsplätze und Investitionen einsetzen. Also weg vom rigiden Sparkurs. Wir freuen uns über die späte Erkenntnis, dass es wenig hilfreich ist, in Krisen hinein zu sparen.  

 

Auch in Deutschland ist die Skepsis gegenüber der aktuellen Politik gestiegen. Die AfD konnte 7% der Stimmen für sich einnehmen und zieht somit ins Europaparlament ein. Ob das Erstarken der Eurokritiker nun zum Denkanstoß für die Parlamentarier wird bleibt abzuwarten. Bislang hat man sich den entsprechenden Parteien verschlossen und diese mit Nichtbeachtung gestraft. Ich wünsche mir hier einen offeneren Dialog. Wir haben in Europa ein einzigartiges „Projekt“ laufen und das sollten wir nicht riskieren, indem wir einfach weitermachen wie bisher, gewisse Mechanismen dauerhaft als alternativlos bezeichnen und uns nicht erlauben, neue Denkmodelle zuzulassen. Der überwiegende Teil der Menschen ist FÜR ein gemeinsames Europa. Sie haben nur Angst, dass es handwerklich falsch gemacht wird. Die Menschen sind nicht europakritisch, sie sind kritisch gegenüber der aktuellen Europapolitik. Das ist ein sehr großer Unterschied. Die etablierten Parteien machen es sich zu einfach, wenn sie alle ihre Kritiker als Europagegner diffamieren, um so Kritik am eigenen Handeln zu unterbinden.

Aus Börsensicht darf der Wahlausgang wie folgt zusammengefasst werden: Alles wie gehabt – keine Überraschungen – stabiles Börsenumfeld.

 

Auch in der Ukraine wurde am vergangenen Wochenende gewählt. Petro Poroschenko, milliardenschwerer Schokoladenfabrikant, will nun das gespaltene Land Richtung Westen führen. Inwieweit dies gelingen wird, bleibt offen. Sicher ist, dass die Ukraine noch eine schwierige Zeit vor sich hat und die Rolle des Spielballs zwischen Ost und West auf absehbare Zeit wohl nicht abgeben wird. Auch hier lässt sich das Fazit aus zumindest aus kurzfristiger Börsensicht nahezu von oben übernehmen, wobei ich das „stabile Börsenumfeld“ nicht als gesetzt ansehen würde.

 

Entscheidender für die Börse als die beiden Wahlausgänge war am Montag die Bekräftigungen von EZB Chef Mario Draghi auf einer Konferenz in Portugal, drohende deflationäre Entwicklungen mit allen Mitteln zu bekämpfen. Sollten sich die Inflationsziele oder -erwartungen der Notenbank weiterhin nicht einstellen, stünden weitere Zinssenkungen oder auch Käufe von größeren Anleihepaketen als Maßnahmen zu Verfügung. Die Politik des billigen Geldes wird also weiter vorangetrieben. Spürbare Effekte zeichnen sich noch nicht ab. Der Markt reagiert dennoch positiv, nach dem Motto: lasst uns die Party weiterfeiern, solange noch Schnaps da ist!

 

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, mit oder ohne Schnaps.

 

Herzlichst,

 

Ihr

 

Dirk Müller

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